Level 1
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Es schneit. Zarte Flocken fallen vom Himmel und die Welt um euch ist in ein Meer aus Weiß gehüllt. Es schneit. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und in einem kalten Winter bereitet sich das Reich auf die Feierlichkeiten zur Begrüßung eines weiteren vor. Vieles ist im letzten Jahr geschehen. Ein neuer Kaiser wurde gekrönt, und es sieht so aus, als wäre nach langem wieder eine Zeit des Friedens gekommen. Es schneit. Das Volk ist glücklich und zufrieden, und während die einfachen Leute sich um ihre kleinen, beschaulichen Festivitäten kümmern, ist die Anspannung unter den Reichen und Schönen groß. Viele Briefe wurden ausgeschickt und viele Briefe wurden erhalten. In Zeiten wie diesen, wo man sich nicht mehr ständig den Kopf über Untote, Orks oder Schwarzelfen zerbrechen muss, da gibt es für manche kaum etwas Wichtigeres, als den richtigen Brief zur richtigen Zeit zu erhalten. Den richtigen Brief, die richtige Einladung zum richtigen Ball zur Jahreswende. Es schneit – und ihr habt einen Brief erhalten. Schneeflocken ziehen an den Fenstern eurer Kutschen vorbei, als ihr durch die Straßen von Tiefenfels fahrt. Ihr erinnert euch noch an die Zeit, als ihr in solchen Wintern an einem kargen Lagerfeuer in einer Höhle kampiert habt, doch wie es scheint, wird euch so ein Schicksal in naher Zukunft erspart bleiben. Ein wenig ungewohnt fühlen sich die feine Seide und der geschmeidige Pelz auf eurer Haut noch an, doch auch das wird vergehen, dessen seid ihr euch sicher. Nach all den Jahren und Entbehrungen, euren Verdiensten für das Kaiserreich und all den Gefahren, denen ihr trotzen musstet, habt ihr schließlich das erreicht, wovon so viele Abenteurer in ihren Tavernen träumen: Reichtum. Nach eurer Rückkehr aus den dunklen Landen habt ihr euch rasch von Alyssa und Valken verabschiedet, und einige Wochen lang hat es so ausgesehen, als würde euer Leben seinen normalen Lauf nehmen, bis euch ein Bote einen versiegelten Umschlag überreicht hat. Ein kleines, unscheinbares Stück Papier, beschrieben mit wenigen Sätzen, einer Unterschrift und mit einem Siegel versehen – und doch hat dies alles verändert. Valken hatte Wort gehalten und euch an dem Gewinn der Expedition beteiligt, welcher weitaus größer ausgefallen ist, als der junge Mann wohl selbst erwartet hatte. Musstet ihr früher zum Teil noch froh sein, wenn ihr die Nacht in einer billigen Taverne verbringen konntet, so könnt ihr euch nun Tavernen in jeder Stadt des Kaiserreichs kaufen, sofern es euch beliebt. Mit dem Gold kam dann auch rasch der Ruhm, und die Geschichten der mutigen Abenteurer, die den Gefahren der dunklen Lande trotzten und dort eine uralte Macht in die Knie zwangen, wurden bald an jedem Tisch erzählt. Es hat euch daher nicht sonderlich verwundert, als ihr eine Nachricht der Gräfin von Rabenthal erhalten habt, die in ihrer Winterresidenz in Tiefenfels nicht nur zur Feier des neuen Jahres, sondern auch zur Verlobung ihrer Nichte geladen hat. Auch wenn ihr weder die werte Dame noch das werte Fräulein kennt, so ist nun wohl die Zeit gekommen, die Schlachtfelder gegen Ballsäle einzutauschen. Ihr staunt nicht schlecht, als eure Kutschen schließlich vor einer prunkvollen Villa im Herzen Tiefenfels Halt machen. Sogleich werden eure Türen von pflichtbewussten Dienern geöffnet, und als ihr das Anwesen betretet, ist es immer noch ein wenig ungewohnt, dass man euch nun als „Dame“ und „Herr“ ankündigt. Ein wenig lasst ihr eure Augen über das Innere der Villa schweifen, müsst euch aber letztendlich mit der Vermutung begnügen, dass die Einrichtung ebenso teuer und erlesen gestaltet ist wie das Bauwerk an sich, da ihr aufgrund der Vielzahl der anwesenden Gäste kaum einen Schritt nach vorne machen könnt. Für euch hat es den Anschein, als hätte sich die Elite des Kaiserreichs hier versammelt, und ihr erwartet eigentlich jeden Moment Felan in der Menge auszumachen. Wie ihr dann aber einem Gespräch neben euch entnehmen könnt, kommt ihr wohl stattdessen gerade recht, um der Ankunft der Nichte der Gräfin beizuwohnen. Tatsächlich bringt sich auch kurz darauf ein Herold am Fuße einer prächtigen marmornen Treppe in Stellung. Ein heller Gong ertönt und einige Momente blickt der Mann mit stoischer Miene über die versammelten Gäste, bis schließlich auch das letzte Gemurmel verstummt ist, dann hebt er den Kopf ein wenig, lässt ein kurzes Räuspern vernehmen und beginnt mit klarer, ausdrucksstarker Stimme zu sprechen. „Werte und geschätzte Gäste, verehrte Damen und Herren! Die erlauchte Gräfin von Rabenthal ist über alle Maßen dankbar, dass Ihr sie mit Eurer Anwesenheit beehrt, um gemeinsam mit ihr diesen zweifach glücklichen Anlass zu feiern. In wenigen Stunden bricht ein neues Jahr für das Kaiserreich an, welches unter der Führung des neuen Kaisers, er sei gepriesen, in jedem Fall über alle Maßen glorreich zu werden verspricht. Ein Hoch auf unseren geliebten Kaiser Felan!“ Jubel und Beifall werden im ganzen Saal laut, und so manche unter euch können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ihr daran denken müsst, wem der geliebte Kaiser denn all dies in Wahrheit zu verdanken hat. Bald schon wird es aber wieder ruhig, als der Herold sich erneut räuspert, jedoch von einem Mann in prächtigen Gewändern unterbrochen wird, bevor er mit seiner Ankündigung fortfahren kann. Die beiden wechseln ein paar unverständliche Worte, und schließlich tritt der Herold mit einer Verbeugung zurück, während sich der Neuankömmling an die versammelte Menge wendet. „Liebe Freunde, ich hoffe, Ihr verzeiht mir alle dieses … ungewöhnliche Verhalten, doch ich will es mir an diesem Freudentag nicht nehmen lassen, meine Nichte selbst anzukündigen. Lange Zeit hat sie sich ja erfolgreich vor uns versteckt, und wenngleich ich noch immer nicht weiß, was sie dazu bewogen hat, sich uns nun endlich zu zeigen, so will ich das hier lieber schnell hinter mich bringen, bevor sie ihre Meinung wieder ändert.“ Zustimmendes Gelächter ertönt, während der Mann, welcher wohl der Onkel der jungen Dame zu sein scheint, sich von einem Bediensteten ein Glas bringen lässt und gerade dabei ist, es zu erheben, als es mit einem Mal totenstill im Saal wird. Einige Augenblicke seht ihr euch verwundert um, bis ihr bemerkt, dass alle Anwesenden wie gebannt auf die Treppe starren, an deren oberster Stufe nun eine Gestalt zu sehen ist. Wäre es einer Stecknadel in diesem Gedränge möglich gewesen, auf den Boden zu fallen, so würde man den Aufschlag hören, und selbst der Mann, der eben noch seine Ansprache vollenden wollte, kann nur wie gebannt auf die junge Frau starren, die mit geschmeidigen Schritten die Treppe hinabschreitet. Ihr richtet eure Augen nun selbst genauer auf die Dame vor euch und könnt sogleich die Faszination der Anwesenden verstehen, da ihr ebenso von ihr mitgerissen werdet. Die junge Frau ist in ein Kleid aus weißer Seide gehüllt, welches wie perfekt an die Form ihres Körpers angepasst und über und über mit funkelnden Diamanten besetzt ist. Filigrane Fäden aus Silber und Platin sind in den Stoff eingesponnen und ziehen sich gleich einem hauchdünnen Spinnennetz über die gesamte Oberfläche, im Lichte der Kronleuchter sanft glitzernd. Die Hände der jungen Frau stecken in ebenso feinen und enganliegenden Handschuhen aus demselben Stoff und reichen bis über ihre Ellenbogen, während spiralförmige Reife aus Silber sich wie zierliche Schlangen über die freiliegende Haut an ihren Oberarmen winden. Ihr Haar ist einem Kunstwerk gleich mit kristallinen Nadeln zum Teil hochgesteckt, während es in einzelnen Strähnen über ihre Schultern und das funkelnde Diadem fällt, das auf der Stirn der jungen Frau ruht. Ihr habt auf euren Reisen eine Vielzahl schöner Frauen gesehen und kennt noch viel mehr Geschichten und Lieder, die die Schönheit irgendeiner Prinzessin oder Königin preisen. Als diese junge Frau jedoch den Fuß der Treppe erreicht und ein einfaches, ehrliches Lächeln auf ihre Lippen tritt, werden nicht nur einem von euch die Geschichten über Xaveria ins Gedächtnis gerufen. Während ihr die Begeisterung und Bewunderung aller Anwesenden aus tiefstem Herzen nachempfinden könnt, so seid wohl ihr in diesem Saal die Einzigen, die zusätzlich noch über alle Maßen überrascht sind, da ihr niemals damit gerechnet hättet, dieses silberne Haar und diese schwarz-graue Haut an diesem Abend, diese Treppe hinabschreiten zu sehen. „Meine lieben Freunde“, ist schließlich der mutmaßliche Onkel der jungen Frau in der Lage fortzufahren, „ohne weitere Umschweife möchte ich voller Stolz meine Nichte unter uns willkommen heißen – Alyssa Nahéra Saeryn Rivil von Rabenthal!“ Einen kurzen Augenblick ist es noch still, doch als Alyssa einen perfekten Knicks vor den versammelten Gästen vollführt, immer noch ihr Lächeln auf den Lippen, scheint es so, als wäre mit dieser Bewegung ein Bann von den Anwesenden genommen. Begeistertes Klatschen erfüllt wie ein Donnergrollen den Saal, und auf einen Wink des sichtlich gerührten Onkels beginnen mehrere Streicherensembles zu spielen. Ihr jedoch starrt immer noch fassungslos auf die junge Halbelfe vor euch, die sich sichtlich tapfer einem Ansturm von begeisterten und neugierigen Gratulanten entgegenstellt. Alyssa ist also adelig? Niemals hättet ihr das vermutet, auch wenn dieser Umstand eine Erklärung für ihre Position an der Universität Rabenfurth liefert, da ihr euch immer schon gewundert hattet, dass sie all ihre Forschungen nur aufgrund des Goldes von Valkens Onkel durchführen konnte. Schließlich fällt der Schock dieser Überraschung aber von euch ab und ihr beschließt, der jungen Frau nicht nur zu gratulieren, sondern sie auch gleich einmal zur Rede zu stellen. Dieses Vorhaben stellt sich jedoch als weitaus schwieriger als gedacht heraus, als euch nämlich einer der Umstehenden erkennt und sofort lauthals verkündet, dass hier „Helden des Kaiserreichs“ anwesend wären. Es erscheint euch wie der Bruchteil einer Sekunde, bevor sich plötzlich Unmengen von Gesichtern in eure Richtung wenden und kurz danach eine Woge von Geplapper und ungewollter Aufmerksamkeit über euch hereinbricht, in der ihr wohl erst einmal durch soziale Kompetenz bestehen müsst, bevor ihr euch zu Alyssa durchschlagen könnt.
Runde 1
Angreifer:
Verteidiger:
Runde 2
Runde 3
Die Angreifer haben gesiegt!
Auch wenn es euch wie eine Ewigkeit vorkam, so habt ihr schließlich alle Anfragen höflich abgewimmelt und die Neugier der Umstehenden so gut wie möglich befriedigt. Sorgsam, aber bestimmt macht ihr euch dann durch die Massen zu Alyssa auf. Nachdem ihr mit ein paar knappen Worten und einigen noch knapperen Blicken ihre aktuellen Gesprächspartner darüber in Kenntnis gesetzt habt, dass nun ihr an der Reihe seid, der jungen Dame die Aufwartung zu machen, steht ihr der Halbelfe letztendlich Auge in Auge gegenüber. Im ersten Moment ist tatsächlich von beiden Seiten nur betretenes Schweigen zu vernehmen, bis schließlich einige von euch Alyssas Hände ergreifen und ihr zuallererst zur Verlobung gratulieren. Ein erleichterter Ausdruck macht sich nun auf den Zügen der Halbelfe breit, und dankbar lächelt sie euch an. „Vielen lieben Dank für eure Glückwünsche“, richtet sie dann das Wort an euch, „es freut mich so sehr, dass ihr gekommen seid. Ich weiß, ihr habt eine Menge Fragen und seid … vielleicht … auch ein wenig … verstimmt … weil ich … nun ja …“ Leise seufzend hält sie inne, sieht sich kurz rasch um und winkt euch dann ein wenig näher, in verschwörerischem Tonfall fortfahrend. „Wisst ihr, ich bin ja gar keine richtige Adelige, mein Vater ist adoptiert worden und deshalb gehöre ich da scheinbar nun auch dazu. Ich habe mich hiervon immer ferngehalten, ich wollte mit all dem nichts zu tun haben, doch … die letzte Reise, die hat einiges verändert … Das wisst ihr aber wohl am besten, mh?“ Ja, das wisst ihr in der Tat am besten, und eure Blicke sprechen wohl Bände, da Alyssa nur kurz nickt und dann fast entschuldigend lächelt. „Wer hätte gedacht, dass uns das alles hierher führt, hm? Also, ich, ich hätte das nicht gedacht. Es hätte aber sicher auch schlimmer kommen können, ich meine, wenn wir in dieser Kammer …“ Erneut hält sie inne, dieses Mal jedoch betreten zur Seite sehend. Ihr versteht genau, was sie meint, auch ihr denkt nur ungern an den Kampf unter dem Tempel zurück, als ihr mit all eurer Macht den Ansturm der Schwarzelfen lang genug aufgehalten habt, um Alyssa die Zeit zu geben, die sie brauchte, um das Portal zu schließen. Erneut vergehen einige Momente betretenen Schweigens, ehe die junge Frau vor euch plötzlich schmunzelt und dann mit den Fingern schnippt. „Ha, da fällt mir doch etwas ein“, spricht sie mit schiefgelegtem Kopf, das Schmunzeln zu einem verschmitzten Grinsen ausweitend, „das hab’ ich ja ganz vergessen zu erzählen: Wie wär’s, wollt ihr nicht meinen Verlobten kennenlernen?“
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